Laut Berichten der FEANTSA (Europäische Föderation nationaler Organisationen, die mit Obdachlosen arbeiten), der Fondation Abbé Pierre und der OECD hat die Obdachlosigkeit in vielen Teilen Europas im vergangenen Jahr weiter zugenommen, in einigen Ländern sogar dramatisch.
Diese Entwicklung wird auf die verschlechterten wirtschaftlichen Bedingungen, den Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zurückgeführt. Ein beträchtlicher Teil der Obdachlosigkeit bleibt jedoch verborgen, da viele Menschen in prekären Situationen wie bei Freunden oder Verwandten unterkommen, in überfüllten oder unsicheren Verhältnissen leben.
Verborgene Obdachlosigkeit: Ein schwer zu messendes Problem
Diese „verdeckte“ Obdachlosigkeit ist schwierig zu erfassen, stellt jedoch einen wesentlichen Bestandteil der umfassenderen Krise dar.
Unverhältnismäßig betroffene Gruppen
Migranten, Frauen und Jugendliche sind laut Berichten besonders stark betroffen. Migranten stehen oft systemischen Hindernissen beim Zugang zu Wohnraum und sozialen Dienstleistungen gegenüber, wodurch ihr Risiko, obdachlos zu werden, erheblich steigt. Frauen, die häufig Opfer häuslicher Gewalt sind, sowie Jugendliche, die aus Pflegeeinrichtungen oder anderen staatlichen Systemen ausscheiden, gehören zunehmend zur obdachlosen Bevölkerung.
Regionale Unterschiede in Europa
Der FEANTSA-Bericht hebt die deutlichen Unterschiede hervor, wie europäische Länder mit Obdachlosigkeit umgehen. Während Länder wie Finnland mit dem „Housing First“-Modell und Investitionen in bezahlbaren Wohnraum Fortschritte erzielen, ist die Situation in Ländern wie Frankreich und Großbritannien besonders besorgniserregend.
Zahlen und Fakten zur Obdachlosigkeit in Europa
- Großbritannien führt mit einer Quote von 43 Obdachlosen pro 10.000 Einwohner.
- Frankreich liegt mit 30,7 Obdachlosen pro 10.000 Einwohner an der Spitze der EU, gefolgt von Tschechien (28,4), Deutschland (25,8) und Irland (25,3).
- In Spanien liegt die Quote bei 5,4 und in den nordischen Ländern sind die Raten vergleichsweise niedrig.
Fallstudien: Frankreich, Belgien und Italien
- Frankreich: Mit 330.000 Obdachlosen und 14,8 Millionen Menschen, die unter Wohnungsnot leiden, steht das Land vor einer ernsthaften Krise. Hohe Mieten und ein Mangel an Wohnungen in Großstädten verschärfen die Lage. 2023 starben 735 Obdachlose auf den Straßen, ein trauriger Rekord.
- Belgien: In Brüssel leben etwa 10.000 Obdachlose, während es nur 3.250 Notunterkünfte gibt. Trotz Maßnahmen wie der Umwandlung von Hotels in Unterkünfte bleibt die Situation prekär.
- Italien: Hier leben geschätzte 96.000 Menschen auf der Straße, ein Anstieg von 30 % in den letzten zehn Jahren.
Erfolgreiche Ansätze in Skandinavien
Finnland hat mit dem „Housing First“-Ansatz die Obdachlosigkeit in zehn Jahren um 40 % reduziert. Schweden und Dänemark zeigen ebenfalls Fortschritte, dennoch bleibt das Problem auch dort bestehen.
Die Situation in Osteuropa
In Polen und Ungarn ist die Obdachlosigkeit oft weniger sichtbar, jedoch tiefgreifend. In Ungarn schlafen täglich bis zu 1.500 Menschen auf den Straßen Budapests, und viele sind besonders während der kalten Wintermonate stark gefährdet.
Fazit
Europa steht vor einer eskalierenden Obdachlosigkeitskrise, die umfassende und koordinierte Maßnahmen von öffentlichen und privaten Akteuren erfordert. Länder mit starken sozialen Sicherungssystemen zeigen Fortschritte, doch in anderen Regionen sind dringende Reformen notwendig, um die Lebensbedingungen der am stärksten gefährdeten Gruppen zu verbessern.